Bekenntnisse

Mehr Staatssicherheit

für die Links-Partei!

Nr. 529 – vom 27. Januar 2012
Was soll eigentlich die ganze Aufregung um die Überwachung der Linken durch die Verfassungs-Schupos? Und warum empören sich darüber ausgerechnet die Links-Ossis im Bundestag so sehr? Kaum besinnen sich die bundeseigenen Staatssicherheits-Organe auf bewährte östliche Horch&Guck-Traditionen, ist das postzonale Gewinsel groß. Schließlich hörte man von ihnen ansonsten immer: Es sei nicht alles schlecht gewesen in der DDR. Mich läßt das Gezeter kalt. Aufregend, ja geradezu spannend wäre es doch nur, wenn die Verfassungsschützer endlich mal die Verfassung schützen würden – und zwar vorm Verfassungsschutz. Aber ich will hier nicht in sinnlose utopische Fiktion abschweifen...
 
Die kauder-welschen Vor-Sprecher der Christdemagogen im Bundestag erklärten umgehend, daß sie selbstverständlich mit den Methoden der Verfassungsverhüterli vollkommen kondom gehen (oder so ähnlich). Die CDU/CSU-Generalsekrete sonderten ihr übliches Pawlowsches Gesabber ab – vonwegen, daß der Extremismus links wie rechts... undsoblablabla. Und die Forschungsergebnisse des Verfassungsschutzes belegen eindeutig: Bei den Linken gibt es eine sehr viel größere Rechts-Unsicherheit. Ganz klar: Schließlich entzieht sich die Links-Partei weitgehend der freiwilligen Aufsicht, weil sie sich einfach gegründet hat ohne jegliche Amtshilfe des Verfassungsschutzes. Wohingegen die NPD für die Staatsschützer eine Partei des Vertrauens ist, da deren Mitgliedschaft zur Hälfte aus halbamtlichen Vertrauensleuten besteht. Und wie meinte ein früherer CSU-Minister für das deutsche Innere einmal so grund(ge)sätzlich: Man könne schließlich nicht immer mit dem Grundgesetz unterm Arm herumlaufen. Das gilt besonders für V-Leute: Wenn die sich ständig die Verfassung unter die Achsel klemmen würden, hätten sie den Arm nicht mehr frei, um ihn von Zeit  zu Zeit deutschgrüßend hochzureißen.
 
Bei so vielen V-Leuten kann es allerdings schon mal passieren, daß man in der V-Leutzentrale zeitweise die Übersicht verliert – zum Beispiel, wenn sich da einige freie Mitarbeiter selbständig machen und ihr eigenes Mordhandwerk betreiben. Aber man kann schließlich nicht jeden Mordskerl dieser Szene ständig im Auge behalten – besonders dann nicht, wenn man auf diesem Auge unter extremer Sehschwäche leidet, weshalb man dieses eine Auge immer mal wieder zudrückt. Doch zum Glück: Mit dem linken sieht man besser.
 
Doch auch auf dem linken Auge schielt man ziemlich – und zwar in Richtung Osten. Deshalb werden vom Verfassungsschutz ausschließlich die eher pragmatischen Ossis in der Links-Fraktion observiert. Auch Jakob Augstein fällt in seinem Kommentar bei spiegel-online auf, „daß die Spitzel des Verfassungsschutzes nicht so sehr die durchgeknallten Fundis aus den Westgliederungen der Linkspartei im Auge haben“. Was ich verstehen kann: Solche In-Sekten-Forschung ist mikroskopische Kleinarbeit. Da kriegt man schnell Augenschmerzen.
 
Wenn ich einen Hang zu Häme und Zyne hätte (eine Neigung, die mir vollkommen wesensfremd ist, wie Sie als meine Leser gewiß bestätigen können), würde ich sagen und schreiben, daß die Links-Partei doch froh sein sollte, daß sie überhaupt von irgendwem wahrgenommen wird in ihrer politischen Arbeit. Ich zumindest wäre es. Schließlich bin ich auf meiner politischen Bühne selbst ein irgendwie-linker Akteur (allerdings schon immer parteilos und auch ansonsten ziemlich lose, zumindest was mein Mundwerk angeht). Ich finde in aller mir eigenen Bescheidenheit, daß ich mir durch meine Wühlarbeit – nicht nur bei den „Wühlmäusen“ – ein bißchen staatliche Beachtung redlich und rötlich verdient habe. Wie maulte Wolfgang Neuss einst in kaltkriegerischen Frontstadt-Zeiten: „Es ist ein Skandal! Jetzt renne ich schon zweimal in der Woche in polnische Filme und werde immer noch nicht abgehört. Wozu zahlt man eigentlich Steuern?“
 
Deshalb sollte die Links-Partei dankbar sein, wenn die politischen Inhalte ihrer Arbeit zumindest von ein paar heimlichen Mitlesern und Mithörern gewürdigt werden. Öffentlich wird diese Partei doch ansonsten nur wahrgenommen, wenn sich die linken Vögelchen mal wieder flügelkämpfend gegenseitig linken und sich selbst zerrupfen. So hat man dort ein schweres ornithologisches Problem. Bei denen piept es kakaphon im Oberstübchen. Eine ständige Piep-Show.
 
Apropos: Gerade sehe ich vor meinem Fenster im vorfrühlingsmilden Januar einen Piepmatz im kahlen Blumenkasten herumpicken. Und damit die mitlesenden Verfassungsschützer aus dem letzten Absatz nicht den falschen Schluß ziehen, ich sei irgendwie vogelfeindlich, will ich zwecks Verdachts-Zerstreuung eines meiner Poeme zitieren, nachzulesen im neuen Machwerk „Geh!Denken! – Geh!Dichte!“ (hier  kriegen Sie es zu 20 Euro; Verfassungsschützer können es ganz geheim bei Amazon bestellen; da kostet es allerdings fünf Euro mehr). Als Zugabe also eine vogelkundliche Betrachtung aus dem Kapitel „Buchholzens Tierleben“:



Die Meise


Die ersten Strahlen tauen langsam auf die graue Pein.
Es lenzet bald. Nun hat sich‘s ausgezittert.
Und eine Meise macht dazu paar Zwitscherei’n..
Sie zwitschert nur. Sie weiß nicht, wie man twittert.
Wie schön, sonst würd‘ die Botschaft kürzer sein.
 
Und meistens ist die Botschaft ziemlich platt.
Sie hätte bald wohl das Getwitter satt.
So aber zwitschert sie wie sie es immer tat.
Ich hör’ ihr zu und denke wintersmatt:
Welch Glück, wenn man ‘ne Meise ist – und keine hat.