Bekenntnisse

He, Alter,

haste mal ‘ne Billion?

Nr. 534 – vom 2. März 2012
Sie haben’s wieder getan! Die Panzerknacker-Banden der europäischen Hochfinanz haben die Europäische Zentralbank – konkret also uns – in dieser Woche noch einmal um mehr als eine halbe Billion Euro erleichtert. Ganz legal, versteht sich. Schließlich standen die Tresore weit offen. Erst im Dezember sind bei einem ähnlichen Raubzug 489 Milliarden Euro abkassiert worden; jetzt kamen noch einmal 529,5 Milliarden dazu. Alles zwecks Euro-Stabilisierung. Soll heißen: Das Geld ist futsch, aber der Euro ist mal wieder hoffnungslos gerettet.
 
Zugegeben: Diese meine Sichtweise ist nicht wirtschaftsweise, sondern billigste Polemik. Aber wenn die Milliarden billionweise einfach so verschwinden, kann man sich eben nur noch das Billigste leisten. Andererseits wird jeder ökonomische Sachverstand-Inhaber meine Kritik als unbillig empfinden, obwohl sie doch so preiswert zu haben ist; per Newsletter sogar kostenlos.
 
Nein, ich bin nicht unbillig, sondern unwillig. Mein Unwillen über solche billionären Transakteure ist begründet in meinem kapitalen Unverständnis der einfachsten ökonomischen Zusammenhänge. Ich bin dafür einfach zu doof. Dabei versuchen die publizistischen Marktbetreuer es mir immer wieder ganz geduldig zu erklären, daß das alles seine kapitalistische Ordnung habe. Doch ich werde stutzig – auch von Begriff, wenn ich lese: „Europäische Zentralbank pumpt Geld in den Markt“ (SZ) – und wenn ich dann weiterlese, daß diese Pumpstation mein Geld nur deshalb an die Banken verpumpt, „weil sie bei anderen Geldhäusern nicht mehr so leicht Kredite bekommen“ (FAZ). Immerhin, das verstehe ich – nämlich, daß die Bänker einander nicht mehr trauen und sich deshalb nicht trauen, einander Geld zu leihen. Man kennt sich schließlich gegenseitig in Banksterkreisen.
 
FAZ: „Für die Geldhäuser ist das Angebot äußerst verlockend: Für den ungewöhnlich langen Zeitraum von drei Jahren können sie unbegrenzt Mittel leihen – und das zum günstigen Zinssatz von aktuell 1,0 Prozent.“ Dafür können sie dann Staatsanleihen kaufen, die das  X-Hundertfache an Zinsen einbringen – im Falle Italiens zum Beispiel derzeit 5,5 Prozent. (Allerdings ein klägliches Zubrot: Bei den Griechen kassierte man in den letzten Jahren, als man denen noch Kredite gab, 11 Prozent und mehr.)
 
Nun könnte ein alter Naiver wie ich auf die blöde Frage kommen: Warum verleiht die Europäische Zentralbank das Geld nicht direkt an die betroffenen Staaten – eben zum Zinssatz von 1,0 Prozent? Warum müssen da Geldhäuser erst mit sehr viel Geld saniert werden, damit sie beim Zwischenhandel noch einmal kräftig absahnieren können?
 
Ach, du ahnungsloses Dummerchen, höre ich dann, der EZB ist es doch verboten, Staatsanleihen direkt von Staaten zu kaufen. Schon heftig eingeschüchtert, frage ich weiter: Warum ist das der EZB denn verboten? Die prompte Antwort hätte ich mir allerdings auch selber geben können: Weil Madame Merkel und ihr ergebener Lakai Nicolas das so bestimmt haben, daß weder die EZB noch die Rettungsschirm-Institutionen eigene Verleih-Stationen eröffnen dürfen. Damit würden sie nämlich allen hart ackernden Shareholdern ihren Value vermiesen. Und dieser Value ist nun mal der Wert aller Werte in der allerwertesten aller Welten. Ohne ihn wären auch alle Ackermännchen am Allerwertesten; lies: die Euro-Bürger-Kings wären am Mon-Arsch.
 
Da würde ein kollektives Zeter und Mordio aus den europäischen Bänkerbusen hervorbrechen, zu allen Himmeln der Hochfinanz schreiend ob des Gräuels, das ihnen da dräut. Bei diesem Angstschrei würden all unsere morgendlichen Börsenblätter mitsamt den spiegelfocussierten Meinungs-Verkäufern in den anderen Medien sofort alle Signale auf Rot setzen, also gleich schalten. Die Warnung ist schon jetzt unüberlesbar und unüberhörbar: Täte man unseren Markt-Beherrschern eine solche Ungerechtigkeit an, würden sie sich nicht mehr marktgerecht behandelt fühlen und sofort in den Generalstreik treten. Das zumindest hätten sie von den Griechen gelernt.
 
Das wäre eine gesellschaftliche Klimakatastrophe, die alle Konten zum Einfrieren brächte. Doch glücklicherweise ist das eine Nonsense-Fiktion. Die Aufklärung durch unsere Medien funktioniert immer noch durch die Bank weg. Und jeder halbwegs Uninformierte akzeptiert die Botschaft, die da lautet: Um die Schuldenkrise zu bewältigen, müssen sich die Schuldenländer aufgrund der horrenden Zinsen noch weiter verschulden. Eine homöopathische Heilmethode: Man muß die Krankheit mit noch mehr Krankheitserregern bekämpfen. Wer das nicht kapiert oder kapieren will, der ist schwer von griechischer KP.
 
Seltsamerweise mangelt es aber ausgerechnet den Bankenbossen an entsprechender Einsicht in die Heilung durch die Homö-Ökonomie. Nachdem nun die Banken innerhalb von drei Monaten mal wieder über eine Billion Euro weggesteckt haben, um die Schuldenkrise angeblich zu entkriseln, erklärte am Mittwoch der Geschäfte-Führer des Bundesverbands deutscher Banken, ein Herr Kemmer: „Die Maßnahmen können aber weder einen funktionsfähigen Interbankenmarkt ersetzen noch die Staatsschuldenkrise lösen.“
 
Letztlich ist das Ganze wohl nur eine Spendenaktion für die hungersnotgeplagten Blähbäuche des darbenden Bankengewerbes. Denn, so die „Süddeutsche“: „Die Geldhäuser der Euro-Zone sind hungrig.“ Da sitzen die ausgemergelten Elendsgestalten vor ihren ärmlichen Frankfurter Hütten und strecken uns die Hungerkralle entgegen: „He, Alter, haste mal ‘ne Billion.“ Ein Unmensch, der ihnen nicht ein solch bescheidenes Almosen in den Rachen werfen wollte. Soll keiner sagen, daß die Welthungerhilfe nicht funktioniert, zumindest auf europäischer Bankenbasis.
 
Ein Trost zumindest bleibt uns. Um noch einmal die „Süddeutsche“ zu zitieren: „Weitere Geschäfte mit dreijähriger Laufzeit sind vorerst nicht geplant.“ Tscha, und so werden sich die Banken wohl bald auf eine fünfjährige Laufzeit einstellen können. Gut Zins will Weile haben ...