Die letzten drei Vorstellungen von „Hier stehe ich! Ich kann auch anders!“: 
Am heutigen Freitag, 20 Uhr, bei den Berliner Wühlmäusen; 
morgen im brandenburgischen Userin; und 
am Sonntag, 19 Uhr, in der Berliner „Distel“ am Bahnhof Friedrichstraße. Weitere Informationen finden Sie im Tourneeplan.
Bekenntnisse

Zuckerberg, Rehhagel, Lafontaine, 

Wowereit, Ackermann:

Nehmen wir noch einen Absacker?

Nr. 545 – vom 1. Juni 2012
Die Gerüchteküche kocht derzeit über. Täglich laufen neue Nachrichten aus absolut sicheren Quellen bei mir ein. Das jüngste Gerücht: Facebooker Mark Zuckerberg, der das weltweit erfolgreichste Untergangs-Event seit dem Titanic-Eisberg-Meeting hingelegt hat, will in Griechenland eine Piraten-Partei gründen – unter dem Motto: „Abzocker aller Internette, vereinigt Euch unterm Kapuzenpulli!“ Gehirnabstinent, wie totenköpfige Piraten nun mal sind in Sachen Kapital-Absahne, würde die Facebook-Gemeinde in der Wahlkabine sofort massenhaft den „Gefällt-mir“-Button anklicken. Zumindest wäre dann der Euro gerettet. Denn welcher Pirat würde schon einen sinkenden Kahn entern, wenn da nur noch ein paar wertlose Drachmen in der Schatzkiste wären. Was nicht heißt, daß die Piraten nicht auch ältere Werte zu würdigen wüßten. Um der Welt zu beweisen, daß man durchaus auch betagte Kader schätzt, sofern sie sich erfolglos bewährt haben, soll nach dem sicheren Piraten-Wahlsieg der Exil-Grieche Otto Rehhagel zum neuen Staatsoberhaupt der Hellenen gekürt werden. Dazu spricht der Berliner Volksmund:

Ob Herthaner, ob Hellene,
Chancen haben beede keene!


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Als neuer Trainer für Hertha BSC steht schon Oskar Lafontaine bereit, weil er endlich mal bei einem Verein mit Zukunft die Führung übernehmen will. Als erstes will er ein intensives Training im Eigentor-Schießen einführen. Allerdings macht er zur Bedingung, daß Sarah Wagenknecht Mittelstürmerin wird und daß Klaus Wowereit nicht gegen ihn kandidiert. Der aber denkt gar nicht daran, weil er viel zu beschäftigt ist mit der Planung eines neuen Fahrradwegs vom Roten Rathaus nach Schönefeld, der notfalls auch als Startbahn für Kleinflugzeuge benutzt werden kann. Air Berlin will künftig nur noch zweimal am Tag mit einer Cessna nach Mallorca fliegen, weil das einem Provinzflughafen angemessener wäre. Zu spät fällt Wowereit ein, daß man eine solche Piste wohl besser betonieren sollte statt sie im Sande verlaufen zu lassen, so daß der nächste mögliche Eröffnungs-Termin auf das Jahr 2030 verlegt werden muß.


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„Meine Passion wird auch weiter die Finanzwelt bleiben.“ Mit diesen Worten verabschiedete sich in dieser Woche Josef Ackermann, der nun von uns gegangene Victory-Man der Deutschen Bank. Und wahrlich, er hat europäische Passionsgeschichte geschrieben. Das heißt: Er hat sie natürlich schreiben lassen. Immer mal wieder bat er seine Chefsekretärin Angela zum Diktat. Tscha, wozu hat man Personal! In kabinetts-erfahrenen Kammerdiener-Kreisen munkelte man sogar, daß die beiden einander in inniglicher Beziehung verbunden gewesen seien. Später hätte sich aber diese Passion, also die Leidenschaft ziemlich abgekühlt. Josef war nicht länger an der Liaison interessiert, nachdem er die Richtlinien der Politik bestimmt und Angela brav die gewünschten Leistungen erbracht hatte. Was der Ackermann da mit der Merkel getrieben hat, nennt man auf juristisch: Unzucht mit einer Abhängigen. Im Banken-Deutsch heißt das etwas vornehmer: Leistung aus Leidenschaft. Ich machte mir mal wieder einen eigenen Reim drauf:
 
Du willig wilde Leidenschaft,
wie wüste tatste dereinst toben!
Du standest prall im vollen Saft.
Nun haben sie auch dich geschafft
und auf die lange Bank geschoben.
 
Du mußtest hart zum Rackern ran.
Als alte Hur’, frisch renovieret,
fingst du noch mal zu ackern an.
Das freuet jeden Ackermann,
der zu (dir) hält und abkassieret.
 
Da liegst du nun vor dem Tresor,
hechelst dahin mit letzter Kraft,
spielst so dem geilen Investor
schwer ächzend ‘nen Orgasmus vor
und stöhnst: „Leistung aus Leidenschaft!“


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Noch ein paar Worte in eigener Sache: Mein jetziges Programm „Hier stehe ich! Ich kann auch anders!“ läuft an diesem Wochenende endgültig aus (siehe oben). Danach beginnt die sommerliche Arbeit am neuen Programm „Kassandra, übernehmen Sie!“, das am 7. Oktober bei den „Wühlmäusen“ seine Berliner Premiere erlebt.
 
Und ehe ich’s vergesse: Dank allen Leserinnen und Lesern, die mir elektronische Grüße und Glückwünsche darboten und von denen etliche als Geburtstagsgeschenk einen Obolus an die „Kinderhilfe Brasilien“ überwiesen haben (Commerzbank-Konto 325 33 33 – BLZ 10040000). Auch in der Presse gab es einige freundliche Greisen-Gedenk-Artikel am 12. Mai. Hier einer aus der „Leipziger Volkszeitung“ aus der Feder von Bernd Locker, der mich besonders gefreut hat:



Hochgenuss im Hinterhalt?


„Solange ich nicht selber eingesargt / 
ist bei mir vorerst Leben angesagt. / 
Ich hoffe, daß ihr`s mir nicht allzusehr verargt. / 
Selbst wenn: Ihr werdet nicht gefragt.“

Vier Zeilen aus einem Gedicht, das sich offenbar mit einem ganz konkreten Leben beschäftigt. Mit einer pfiffigen Pointe am Ende, durch die ein Autor schadenfroh auch noch den leisesten Zweifel an seiner ungestümen Vitalität beseitigt. Wer ist der unbekannte Lyriker? „Geh!Denken – Geh!Dichte“ heißt der Ende vorigen Jahres erschienene Lyrikband von Martin Buchholz, bisher als lupenreiner Poet nur sporadisch in Erscheinung getreten. "Die Zeit vergeht" hat der Journalist, Satiriker, Buchautor und Kabarettist das eingangs zitierte Gedicht betitelt. Heute feiert Buchholz, gebürtiger (West)Berliner, inzwischen mit Zweitwohnsitz in Sachsen, seinen 70. Geburtstag.

Wir können es uns verkneifen, in den 222 Textseiten – wie allgemein üblich – nach poetischen Wurzeln zu stochern. Des Moralisten Brecht etwa oder des Aphoristikers Morgenstern, des skurrilen Reimers Ringelnatz vielleicht. Nach der poetische Kühnheit eines Rilke etwa oder gar Heines eleganter Ironie. Es bleibt auch so schlicht ein echter Buchholz, der dem Leser seine Ansichten über Gott und die Welt mitteilt. Nicht verblüffend tagesaktuell wie in den Programmen, aber nicht weniger spannend, witzig, sprachlich nach Art des Hauses virtuos verspielt. Immer intelligent und lebensprall und nun auch mit einigen sensiblen Seiten, erotischen, sogar frivolen garniert. Zwar mildern beim Lyriker Versmaß und Rhythmus die berühmte Schärfe und den Sarkasmus des Kabarettisten, aber Angriffslust schimmert weiter durch alle Zeilen.

So wie in Buchholz` Kabarettprogrammen mit denen er – jeweils nach den Premieren beim Berliner Kabarett Theater „Die Wühlmäuse“ – durch Deutschland tourt. Seit Jahren feste Station dabei – die Leipziger Lachmesse. Ausverkaufte Vorstellungen, begeistertes Publikum und bei den Jurybewertungen zum Festivalpreis meist nur hauchdünn hinter dem Sieger platziert.

Konsequent politisches Kabarett, das die ganze Welt und den vollen Tag kommentiert, in unglaublichem Sprechtempo präsentiert, trotzdem ohne Schaum vor dem Mund. Bissig und zuverlässig bösartig schon, aber vor dem Satiriker Buchholz war der glänzende Analytiker Buchholz auf dem kabarettistischen Acker zu Werke, und deshalb landen seine politischen Hardcore-Attacken nie im gesellschaftlichen Niemandsland. Selbst wenn er mit Kalauern jongliert, der belesene Wortakrobat lockt politische Falschspieler mit traumhafter Sicherheit in seinen kabarettistischen Hinterhalt, in dem deren sinnentleerte Worthülsen oder fromm verschleierten bösen Absichten mit Hochgenuss demontiert werden. Der Zuschauer stolpert als höchst unterhaltsam auferweckter Voyeur begeistert hinterher. Und das seit 1983, als der gelernte Journalist den Redakteurs-Schreibtisch in diversen Zeitungen mit der Bühne vertauschte.

Buchholz heute 70. Äußerlich hat er sich kaum verändert. Der verschmitzte Blick, wenn die Hand gedankenvoll das Kinn stützt. Die fragende Geste, wenn die gespeizten Finger vor der Brust ein Unentschieden signalisieren. Oder die Aufforderung, wenn der Zeigefinger der rechten Hand an der Stirn bohrt: Geh! Denken. Alternativ: Die haben sie ja nicht alle! Haare waren nie viel da.

Alles wieder zu beobachten während der Lachmesse am 16. Oktober in der Pfeffermühle. Dort kann man auch den lyrischen Wurzeln des Dichters auf die Schliche kommen. Die liegen nicht bei Rilke & Co, sondern saugen an einem alten Mittel gegen Magenübersäuerung. Denn seine Programme beendet der geistreiche Spötter von jeher mit dem Reim: „Was Bullrichsalz für die Verdauung, / ist Buchholz für die Weltanschauung.“