Bekenntnisse

Wahnsin schon mal in Berlin?

Nr. 566 – vom 11. Januar 2013
Bruchpilot Wowereit ist nun auch als Aufsichtsratsvorsitzender notgelandet, hat sich aber gleich danach einstimmig selbst das Vertrauen ausgesprochen. Ansonsten ist er ausgesprochen unansprechbar. Fragt man den Regierenden Dorfschulzen der alten und neuen Mir-reicht’s-Hauptstadt: „Wo bitte geht’s hier zum neuen Flughafen?“ – dann kriegt man nur ein hilfloses Gestammel zur Antwort: „Wo? Wie?“ Ja, unser Wowie sieht derzeit ziemlich alt aus. Fast so alt wie seine Partei, die ihn zähneknirschend stützen muß. Und die SPD verjährt sich immerhin zum 150. Mal in diesem Jahr. Das ist in etwa auch der Zeitraum, mit dem man inzwischen rechnen muß bis zur Eröffnung der neuen Berliner Flugsaison. Von heute an gezählt, könnte also schon im Januar 2168 der erste Hauptstadt-Abflug möglicherweise starten (möglicherweise – denn allzu genau wollen wir uns da vorsichtshalber nicht festlegen). Aber die kleine Verzögerung wird man ja wohl verkraften können.

Die Berliner regt das nicht weiter auf. Sie hocken ohnehin notgedrungen zu Hause – ohne die Chance, irgendwo hinzufliegen oder hinzufahren, denn die S-Bahn kreist ja auch nur noch einmal am Tag aus nostalgischen Gründen um den Ring. Man muß es schließlich mit dem Nahverkehr nicht übertreiben, vom fernen Flugverkehr ganz zu schweigen.

Wie hatte Wowereit einst – und zwar im Jahre 2005 – vor dem Berliner Parlament erklärt: „Ohne meine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender wären wir nicht an dem Punkt, an den wir heute gekommen sind.“  Tscha, wo er recht hat, hat er recht.

Das Hauptgebäude des angeblichen Großflughafens soll demnächst zum wowereitschen Mausoleum umgewidmet werden. Der Überfliegende Bürgermeister wird dann einbalsamiert im Glassarg liegen und gelangweilt wie üblich die ehrfürchtigen Prozessionen der Fluglärm-Gegner an sich vorbeiziehen lassen. Allezeit werden sie sein Loblied singen, weil er sie so lange landesväterlich vor dem Fluch der dezibelen Belästigung geschützt hat. Fürwahr ein Fluch-Hafen, den er den Berlinern gerne hinterläßt.

Wowereits Berlin, inzwischen eine Provinz-Hauptstadt der zweiten Liga! Nun bin ich ja ein eingeborener Ureinwohner dieses versumpften Biotops. Aber wer von den Berliner Aborigines traut sich heute noch als ein solcher zu outen, wenn er sich in einer halbwegs zivilisierten Außenwelt befindet? Schließlich ist ein solches Outing nicht ungefährlich. Man erinnert sich noch heute in der Stadt an jenen amerikanischen Präsidenten, der vor dem Rathaus Schöneberg tollkühn verkündete: „Ich bin ein Berliner!“ Kurze Zeit danach wurde er konsequenterweise erschossen.

Kennedy meinte damals, daß dies das stolzeste Bekenntnis sei, das man als Weltbürger ablegen könnte. Und jedem frontstädtischen Klein-Moritz im traulich ummauerten West-Berlin blähte sich daraufhin die antibolschewistische Heldenbrust. O tempora! O Moritz! Längst ist sie vergessen, jene Heldenzeit, als die Völker der Welt in unerbittlicher Penetranz von den Insulaner-Häuptlingen aufgefordert wurden: „Schaut auf diese Stadt!“ Heute wäre man froh, wenn kein Aas gucken würde. Zu peinvoll ist die Scham, ein Eingeborener dieses Milliardenlochs zu sein.

Nun ist es heute nicht mehr so, daß man gleich erschossen wird, wenn man als Berliner erkannt wird. Man hat eher einen gewissen Mitleidsbonus. Die meisten versuchen so zu tun, als würden sie diese angeborene Behinderung gar nicht wahrnehmen. Doch hinter meinem Rücken höre ich sie dann tuscheln: „Gott, der Ärmste! Ein Berliner! So einer wie der Doofereit – oder wie der heißt.“ Ich traue mich inzwischen auf meinen Tourneen kaum noch den Mund aufzumachen, weil mein Dialekt allzu deutlich das peinliche Geheimnis meiner Herkunft verrät. Deshalb habe ich jetzt an der Volkshochschule einen Schwäbisch-Kurs belegt. Damit will ich zugleich einen Beitrag leisten zur innerberliner Völkerverständigung. Schließlich muß man sich auch am Prenzlauer Berg mit den dortigen fremdländischen Okkupanten irgendwie arrangieren. 

Neulich las ich in der „Berliner Morgenpost“ eine erschütternde Kurz-Analyse über die Zukunft der Stadt. Da stand tatsächlich: „Berlin bleibt Berlin!“ Schauerlicher kann eine Drohung kaum sein.


+++


Themawechsel: Ich will Sie, meine Leserschaft, auf eine sehr erfreuliche Initiative hinweisen – nämlich auf den Versuch, ein Satire-Magazin im Internet-Fernsehen zu etablieren. Unter der Schirmherrschaft von Dieter Hildebrandt soll noch in diesem Jahr der „stoersender.tv“ starten. Dafür braucht es Geld. Und das fordere ich hiermit frech von Ihnen – mit gutem Gewissen, denn meine Kolumne kriegen Sie ja kostenlos. Es wäre also schön, wenn Sie mal wieder etwas Marie locker machen könnten. Auf der Seite http://www.startnext.de/stoersender können Sie sich genauer informieren über das Projekt. Dort können Sie auch direkt als Unterstützer Ihren Obolus entrichten. Ich danke Ihnen schon im Voraus. Und vielleicht verschicken Sie diese Kolumne auch gleich weiter an andere Interessierte. Ich finde es mehr als notwendig, daß Satire endlich ohne jede öffentlich-rechtliche Vorzensur auf den Bildschirm kommt.


+++


PS. Im Januar trete ich jeden Samstag (also auch morgen) um 20 Uhr bei den Berliner „Wühlmäusen“ auf mit meinem Programm „Kassandra, übernehmen Sie!“.
Im Februar und März bin ich dort jeden Sonntag um 16.30 Uhr auf der Bühne – http://www.wuehlmaeuse.de
In Berlin bin ich auch am Sonnabend, 2. März, 20 Uhr, im "Wirtshaus Moorlake" – http://www.moorlake.de

Weitere Termine: 
Montag, 28. Januar, “Alma Hoppes Lustspielhaus“ in Hamburg – http://www.almahoppe.de
Donnerstag, 31. Januar, im Kasseler „Theaterstübchen“ – http://www.theaterstuebchen.de
Am Freitag und Samstag, 1. und 2. Februar, Theater am Küchengarten, Hannover – http://www.tak-hannover.de
Näheres siehe Tourneeplan