Bekenntnisse

Wowi, Gottes Sohn und Walter Ulbricht –
und außerdem noch ein bißchen Folter-Nachhilfe

Nr. 630 – vom 12. Dezember 2014
Gottes Sohn hat die Berliner endgültig verlassen. Unser aller Wowi wacht nun nicht mehr über uns. Die Sache mit „Gottes Sohn“ hatte meine Enkelin Andrine schon vor Jahren behauptet. Schließlich, so meinte sie, werde Wowis göttliche Herkunft überall zu Weihnachten besungen: „Stille Nacht, heilige Nacht! Gottes Sohn Wowi lacht“...

Ich klärte sie dann über ihren Irrtum auf. Allerdings hätte mir die Enthüllung schon gefallen, dass der Filius des Allmächtigen schwul gewesen sei und er deshalb eine Homo-Ehe mit seinen zwölf Jüngern angestrebt hätte. Das hätte eine wahre Revolution in allen christlichen Kirchen ausgelöst. Alle Kathedralen wären aus Protest krachend zusammengebrochen. Leider war es nur ein Hörfehler – wie einst beim „weißen Neger Wumbaba“, der bei Mathias Claudius aus den Wiesen stieg, nachdem der Mond aufgegangen war.

Hätte Wowereit himmlische Heerscharen an seiner Seite gewusst, hätte der Berliner Flughafen zumindest zu Heiligabend geöffnet werden werden können als Start- und Landebahn für das übliche „Jahresendgeflügel“ (so nannte man DDR-offiziell realsozialistische Weihnachtsengel). So aber ist nun guter Aufsichtsrat teuer, nachdem sich der Nicht-mehr-Regierende auch dort zurückgezogen hat. Schade, so meint meine Kabarett-Kollegin Helene Mierscheid, dass man nicht den alter Mauerbauer Walter Ulbricht reanimieren konnte für das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden. Wäre sein Geist noch lebendig und er hätte bei der letzten gemeinsamen Pressekonferenz von Wowereit und Mehdorn mit am Tisch gesessen, dann wäre er irgendwann das Geschwafel der beiden leid gewesen und hätte rigoros-ehrlich erklärt: „Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu bauen.“ Und – schwups – zwei Wochen später hätte der Flughafen eröffnet werden können.

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Man stelle sich nur einmal kurz vor, es käme in Russland ein Folter-Bericht an die Öffentlichkeit mit ähnlichen staatlich angeordneten Bestialitäten wie jetzt in den USA. Welch ein Aufschrei des Entsetzens ginge da durch unsere Medien. Unsere Politiker würden sich überbieten in öffentlichen Verurteilungen und abgrundtiefster Abscheu. Und das mit aller Berechtigung. Doch bei unseren amerikanischen Verbündeten wird die Folterherrschaft der CIA bestenfalls mit milder Nachsicht registriert, und dann geht man wieder zur Tagesordnung über. Jetzt warte ich nur noch darauf, was der „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe dazu zu sagen hat. Der ist als „embedded journalist“ voll eingenu..., äh, eingebettet in die verschiedensten atlantischen Lobby-Vereine, wie man dank der „Anstalt“-Kollegen weiß. Ich erwarte etwa folgende Einschätzung von ihm: Das, was die CIA-Schergen da mit ihren Gefangenen anstellten, war eigentlich gar keine richtige Folter, sondern, wenn überhaupt, ein menschenrechtlicher Irrtum – eine bedauerliche Fehleinschätzung, die in bester demokratischer Absicht zum Schutz der westlichen Werte erfolgte.

Schon vor zehn Jahren, als die Horror-Bilder aus dem amerikanischen Folter-Knast Abu Ghreib in Bagdad in Umlauf kamen, war Joffe sofort im Propaganda-Einsatz, um die Ereignisse sanft zu relativieren (Wochenschauer vom 14. Mai 2004) – und zwar im Berliner „Tagesspiegel“, wo er allwöchentlich in einer unsäglich eitlen, selbstbeweihräuchernden Kolumne den Wilmersdorfer Witwen die Welt erklärt. Nach Abu Ghreib ließ er seine Leser an einem amerikanischen Sprachkurs teilnehmen. Die Amerikaner, so Joffé, hätten eine sehr viel höher entwickelte Sensibilität als wir Deutschen - besonders, was Nuancierungen im Sprachgebrauch angehe. Sie wüssten ordentlich zu unterscheiden zwischen „torture“ (also „Folter“) und „abuse“ („Missbrauch“). Und nur letzteres hätte im Gefängnis von Abu Ghreib stattgefunden.

Sicherlich, so teilte er uns zwischen Zeilen mit, sei das nicht alles schön gewesen, was da auf einigen privaten Erinnerungsfotos für das amerikanische Familienalbum zu sehen sei, aber, bitte sehr, da wollen wir doch mal sachlich bleiben und sprachlich sauber... Wer in diesem Zusammenhang das Wort „Folter“ benutzt, macht sich selber als „Abuser“ schuldig - missbräuchlich in anti-amerikanischer Hetz-Absicht die Sprache schändend.

Und da im jetzigen US-Folterbericht ohnehin „nur Scheiße“ steht (so Dick Cheney, der Ex-Vize von George Doubleyou), wird uns unser Amerikanisch-Lehrer Herr Joffe bestimmt bald darüber aufklären, dass dieser „shit“ nur der Vorwand für einen anti-freiheitlichen shit-storm ist.

Auch in Springers „Welt“ wurde ich schon im Dezember 2005 aufgeklärt, dass man bei „verschärften Verhörmethoden“ nicht so zimperlich sein dürfe: „Wie wird man Informationen erhalten von Terroristen, die sich bei einer Tasse Tee durch gutes Zureden nicht beirren lassen?“ Hübsch gefragt von einem, der ganz offenbar die dauernde Teetrinkerei mit Terroristen satt hat. Und weiter: „Ist der Rückgriff auf Folterpraktiken in absoluter Weise zu verurteilen und zu bannen, selbst wenn es darum geht, dass sich eine Rechtsordnung gegen Feinde schützen muss, die sich außerhalb des Rechts bewegen?“ So viele drängende Fragen, und dann endlich die rechtsstaatliche Antwort: „Man sollte sich keinen Heucheleien hingeben. Im Bedrohungsfall hat noch jeder Rechtsstaat seine Normen außer Kraft gesetzt, um das Recht zu schützen.“

Wie meinte einst der olle Wolgang Neuss: „Man kann gar nicht so viel kotzen, wie man bei Springer zu lesen kriegt.“