Bekenntnisse

Gysi und Buchholz –
und leider auch de Maizière

Nr. 660 – vom 10. November 2015

Am nächsten Sonntag gibt’s in der Berliner „Distel“ noch einmal ein satirisches Gipfeltreffen zwischen Gysi und mir: Polit-Talk und Lesung aus meinem neuen Buch „Missverstehen Sie mich richtig“ (hier signiert zu bestellen). Eine etwas verspätete Matinee um 14 Uhr. Noch gibt’s Karten, aber sie werden langsam knapp. Ausnahmsweise muss ich zu diesem Zwecke inlandsflugs einjetten (was ich ansonsten nie mache; bin immer mit der Bahn auf Achse), weil ich am Abend zuvor in Nürnberg auf der Bühne stehe. Am Freitag und Samstag treibe ich dort im „Burgtheater“ mein Unwesen. Am Donnerstag bin ich bei Freunden im „Casa de la Trova“ im fränkischen Wendelstein. Näheres im Tourneeplan.

Was gibt’s ansonsten? Tscha, leider gibt’s Thomas de Maizière – den aus Dresden importierten Minister für das gesamtdeutsche Innere. Inzwischen pegida-pestet der volksempfindliche Fachmann für die deutschen Innereien überall in der politischen Landschaft herum, selbstverständlich immer im deutschen Namen – und das, obwohl er gar keinen deutschen Namen trägt. Dieser Monsieur de Maizière ist schließlich selber ein Nachkomme von politischen Flüchtlingen, die einstmals aus Frankreich nach Deutschland gekommen sind und denen man großzügig Asyl gewährte. Doch wenn ich den Minister heute über politische Flüchtlinge reden höre, bin ich fast der Meinung, man hätte diese Hugenotten damals spätestens nach einem Jahr subsidiären Schutzes wieder abschieben sollen. Uns wäre einiges an Spätfolgen erspart geblieben.

Bei solchen ministeriellen Stimmungskanonen wundert es einen nicht, wenn die Stimmung im Lande sich mehr und mehr verflüchtigt – in die Tiefen der dumpfdeutschen Düsternis. In den letzten Wochen las man bei vielen Meinungsverbreitern und hörte es in fast allen Sabbelshows, dass die zunächst so freundliche Stimmung im Lande auf der Kippe sei. Und immer wieder stieß man die wippende Kippe kräftig an, damit sie noch kippliger wurde. Diese Stimmungsmache funktionierte bestens: Nun ist die Stimmung erfolgreich gekippt und landete unversehens im Stimmungstief, also dort, wo sie das Stimmungsbarometer schon vorher geortet hat. Das nennt man eine Vor-Bestimmung. Und daraus kann sehr schnell eine Mordsstimmung werden. Wir haben es schon mal in Rostock, Mölln, Hoyerswerda und anderenorts erlebt.

Die demonstrative Kloaken-Entleerung auf öffentlichen Straßen und Plätzen und natürlich auch auf Facebook hält weiter an. Eine zwanghafte Entleerung, die auch etlichen Intellektuellen zu schaffen macht – zum Beispiel Botho Strauß, den manche immer noch für einen großen deutschen Dichter halten. Dabei ist er eher ein Undichter, der unter schwerer Hirn-Inkontinenz leidet und dem der „Spiegel“ jüngst seine Spalten zur Verfügung stellte zweck Verrichtung seiner völkischen Notdurft. Alle Sturmglocken ließ der Deichwart läuten wegen der „Flutung des Landes mit Fremden“. Und da flutet es tatsächlich beim blubbernden Botho. Auf einmal sind alle Schleusen des gewöhnlichen Faschismus weit geöffnet. Auch wenn Abertausende von Flüchtlingen in den Fluten des Mittelmeers ertrinken, so sind doch wir Deutschen die eigentlichen Opfer, weil wir bei dieser „Flutung des Landes mit Fremden“ abzusaufen drohen. Auch in der gängigen, alltäglichen Berichterstattung ist ständig die Rede und Schreibe von der „Flüchtlingsflut“ oder der „Asylantenschwemme“. Begriffe aus dem Wörterbuch des Herrenmenschen, der da standhaft auf seinem einsamen Eiland ausharrt, während um uns herum bedrohlich die fremde Masse glibbert und schmaddert – das eklige, widerwärtige Untermenschentum.

Die österreichische Amtskollegin de Maizières, Innenministerin Miki-Leitner, erklärt Abschreckungsmaßnahmen für notwendig, weil der „Zustrom“ größer als der „Abfluss“ sei. Der sächsische Innenminister verkündet wohlgemut, dass man schon bei der Jahrhundertflut im Jahre 2002 der Gefahr kämpfend getrotzt habe und „so werden wir auch gegen diese Flüchtlingsflut ankämpfen“. Die „Immigranten-Invasion überschwappt Deutschland“, verkünden auch die völkischen Beobachter des Philologen-Verbandes in Sachsen-Anhalt. Was da überschwappt – weit über die Unterschwelle hinaus, ist nichts als braune Jauche. Und die Dämme brechen mehr und mehr.