Buchholzens
 

Satire-

Letter


Der etwas andere
Kommentar

Martin Buchholz

Nr. 739 vom 25. Juni 2025




Zwei Fragen: 

Völkerrecht – gibt's das?

Und: Ist Netanyahu ein Antisemit?

 

I.

Haben Sie in letzter Zeit mal was vom Völkerrecht gehört? Blöde Frage, zugegeben. Denn alle reden vom Völkerrecht, die einen so, die meisten irgendwie naja, soso. Eine andere, nicht ganz so blöde Frage wäre vielleicht: Gibt es das Völkerrecht überhaupt? Wenn ja, dann ist es offenbar irgendwas, was man permanent bricht, notfalls mit bunkerbrechenden Bomben. Völkerrecht? Sorry, leider ausgebombt!

Nun wirft man Israel und den USA vor, mit den Angriffen auf den Iran das Völkerrecht gebrochen zu haben. Und natürlich haben sie das getan. Trump macht ohnehin kaum einen Hehl daraus, dass ihm das „international law“ (so die englische Bezeichnung) kilometerweit an seinem breiten Gesäß vorbeiwabert. Er hat genug damit zu tun, jegliches national law in den USA abzuschaffen. Das hat Vorrang: „America first“. Wenn er dann gelegentlich mal ein paar Tarnkappenbomber als Friedensengel in iranische Gefilde schickt, dann nur, um den Ayatollahs seine Friedensbotschaft mitternächtlich einzuhämmern.

Putative Notwehr nennt man das hinterher. Ein angeblich bevorstehender Angriff müsse abgewehrt werden. So wurden schon immer Kriege begründet, in denen man notgedrungen schon mal zurückschießen musste, auch wenn zuvor noch kein Schuss gefallen war. (Neenee, und damit meine ich nicht nur DEN Krieg, an den Sie sich vielleicht noch dunkeldüster erinnern, sondern zum Beispiel auch den Vietnam-Krieg der Amerikaner, der mit einem nie stattgefundenen Tonkin-Zwischenfall begann. Es gibt noch etliche andere Beispiele.)

 

II.

Auch Putin zeigt sich nach der Attacke auf den Iran empört über diesen Bruch des Völkerrechts, denn so etwas würde er niemals dulden. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit einem so kleinlichen Einwand, dass schließlich Putin selber völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hätte mit der erfundenen Story, dass die Nazis dort die Macht übernommen hätten – hinterhältigerweise auch noch mit einem jüdischen Präsidenten an der Spitze. Na und? Schließlich haben auch die USA den Irak völkerrechtswidrig überfallen mit erfundenen Stories über verbuddelte Massenvernichtungsmittel? 

Beim Völkerrecht muss man eben nicht so pingelig sein. Es ist eine Frage der Auslegung. Eine Auslegware. Und wenn man erst einmal einen anderen Staat mit genügend Bomben und Raketen belegt hat, ist die Frage der Auslegung hinterher irrelevant.

Als Putin vor elf Jahren einfach so – mir was, dir nichts – die Krim annektierte, meldete sich ein ehemaliger Bundeskanzler zu Wort, um den Deutschen ein bisschen Geschichtsunterricht zu erteilen. „Natürlich ist das, was auf der Krim geschieht, ein Verstoß gegen das Völkerrecht“, erklärte Gerhard Schröder damals. Dennoch wolle er seinen Freund Putin nicht verurteilen. Er selbst habe als Kanzler beim Jugoslawienkonflikt ebenfalls gegen das Völkerrecht verstoßen. „Da haben wir unsere Flugzeuge (...) nach Serbien geschickt, und die haben zusammen mit der Nato einen souveränen Staat gebombt – ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte.“

An dieser Bombardierung Serbiens im März 1999 waren unter einer rotgrünen Regierung zum ersten Mal seit 1945 wieder deutsche Soldaten beteiligt. (Man brauchte uns wohl, weil wir uns in dieser Gegend von früher her schon gut auskannten). Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, scheinbar gerechtfertigt durch Propagandalügen (dem erfundenen Hufeisen-Plan zur vermeintlichen Ausrottung der Kosovo-Albaner; die Fake-News von einem riesigen KZ im Stadion von Pristina undundund.) Als ich das damals in meinen Kolumnen und auf der Bühne zum Thema machte, beschuldigte mich der damalige Außenminister Joschka Fischer, den ich aus meiner lange zurückliegenden Bonner Korrespondenten-Zeit einst als klamaukigen Sponti kennengelernt hatte, auf einem Klo im Berliner Restaurant „Ganymed“, dass ich ein „neues Auschwitz“ rechtfertigen würde. 

 

III.

So schließt sich nebenbei der demagogische Kreis bis hinein in die Gegenwart: Heute wird man sehr schnell zum Antisemiten abgestempelt, wenn man die grauenhaften völkerrechtswidrigen Kriegsverbrechen der rechtsradikalen Netanyahu-Brüderschaft in Gaza als das benennt, was sie sind: Eine Ausrottungs-Strategie durch Zerbomben, durch Verhungern und Verdursten, durch das Verweigern medizinischer Hilfe. Kinder, bevorzugt.

Der Horror der Hamas galt hierzulande etlichen Kommentatoren lange, allzu lange als Rechtfertigung für den Horror der israelischen Regierung in Palästina. (Besonders im Berliner „Tagesspiegel“ ist mir diese rituelle Exkulpierung aufgefallen, aber lange Zeit auch bei „Heute“ und „Tagesschau“; nur in den „arte-nachrichten“, jeden Abend ab 19.20 Uhr, war die Berichterstattung von Anfang an differenzierter.)

Ich habe meine Zweifel an der Haltung der israelischen Regierung aufgrund ihrer eigenen Äußerungen schon früh geäußert in meiner Kolumne nach dem Hamas-Massaker (Nr. 718 vom 24. Oktober 2023, nachzulesen in der „Satire-Letter-Sammlung“ auf martin-buchholz.de). Es ist manchmal grässlich, Recht zu haben ohne es haben zu wollen.

 

IV.

Ach, da hätte ich noch eine dumme Frage: Ist Netanyahu eigentlich ein Antisemit? 

Nee, das kann er gar nicht sein, weil er selbst ein Jude ist. Allerdings gilt das nicht für die jüdischen Gegner seiner Politik, schon gar nicht für die israelischen. Die bezeichnet Netanyahu immer mal wieder als „Feinde Israels“, als „jüdische Antisemiten“. Wenn also ein israelischer Staatsbürger allein durch sein Jüdischsein nicht gegen den Vorwurf des Antisemitismus gefeit ist, muss das wohl auch für den israelischen Ministerpräsidenten selber gelten. Also: Warum ist Netanyahu für mich ein Antisemit?

Nun, die simpelste Definition des Antisemitismus ist diese: Ein Antisemit ist einer, der Hass gegen Juden schürt. Einer, der Hass gegen Israel provoziert. Und nichts anderes tun Netanyahu und seine mehr oder minder faschistischen Komplizen. Ich sehe es an meinen libanesischen Bekannten in Berlin. Ursprünglich waren es halbwegs besonnene Leute, die das Existenzrecht Israels als realpolitische Tatsache akzeptierten und die wir gemeinsam mit unseren jüdischen Freunden einladen konnten, doch inzwischen sind sie nur noch von Hass erfüllt gegen den Staat, der ihre Angehörigen offenbar endgültig vernichten will. Da wird bei den meisten nicht mehr differenziert zwischen einer rechtsradikalen Regierung und dem israelischen Volk. 

Und wie sollte dieses Gefühl erst bei den Menschen in Gaza sein, die ihre Kinder zum langsamen, qualvollen Sterben verdammt sehen. Die Kinder sterben, weil rechtsextreme Verbrecher in Israels Regierung sie sterben sehen wollen. Das einzige, das die Opfer psychisch am Leben erhält, ist bei vielen der Hass. Von der Hamas gesät, von Netanyahu endgültig zum Erblühen gebracht. Da wird nicht mehr unterschieden zwischen einer verbrecherischen israelischen Regierung und Israel insgesamt. Und Israel ist ein Judenstaat. Also sind die Juden die verhassten Gegner.

Netanyahu: Ein internationaler Vorkämpfer nicht gegen, sondern für den Antisemitismus. Einer, der den Judenhass bewusst befördert. Ein Feind der Israelis. Ein Feind Israels. Ein Judenfeind. 

 

Ich finde, das musste einmal gesagt werden. Es grüßt sie herzlich und hirnlich

 

Ihr Martin Buchholz 

 

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Sonnabend, 4. Oktober, bei den „Wühlmäusen“ in Berlin

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Sonnabend, 11. OktoberFrankfurt  a. M., KÄS, Tel. 069 902839 86

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Sonnabend und Sonntag, 18. und 19. Oktober. bei den „Wühlmäusen“ in Berlin

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