Bekenntnisse

My Klon and I

Nr. 583 – vom 17. Mai 2013
Zunächst ein Wort in eigener Sache: Meine frühlingshafte Auftritts-Saison neigt sich langsam dem Ende zu. Ich werde in den nächsten Wochen und Monaten etwas kürzer treten, auch mit der Schreibarbeit an diesen Kolumnen. Soll heißen: Ich werde mich künftig nicht jede Woche bei Ihnen melden, sondern vielmehr sporadisch – immer dann, wenn ich meine, ein Wörtchen mitreden zu müssen. Keine Sorge, auf Dauer kann ich die Klappe ohnehin nicht halten. Hier also mein Maien-Schauer:


+++


„Wann wird der erste künstliche Mensch erschaffen?“ So fragt man sich im Springer-Konzern ungeduldig – verlautbart gestern über „bild.de“. Nachdem die Auflage des gedruckten „Bild“-Blatts immer mehr absackt, bleibt als einziger Ausweg, die verbliebene Leserschaft zu klonieren. Diese Klone, aus urgermanischen Stammzellen produziert, kämen existentiell durchaus zurecht ohne irgendwelche weiteren grauen Zellen. Es reicht ein primitives Stammhirn, das zugleich als Meinungsbildungsorgan dienen würde. Eben drum: „BILD dir deine Meinung!“ Die Zahl der „Bild“-Konsumenten würde sich also schlagartig verdoppeln. Schließlich: Doof zeugt doof! Das hat uns schon der renommierte Gen-Forscher Thilo Sarrazin als unanzweifelbares Ergebnis seiner Forschungen einst verkündet.

Nun haben in dieser Woche Embryo-Klone aus den USA weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Ich habe die Aufregung nicht ganz verstanden, denn für mich war diese Nachricht nicht neu. Schon vor dreizehn Jahren habe ich an dieser Stelle berichtet, daß man in der republikanischen US-Retorte ein humanoides Wesen erschaffen hatte, ein menschenähnliches Monster, das es schließlich bis zum Präsidenten der Vereinigten Staaten brachte. Folgerichtig hieß er mit zweiten Namen „Double-you“. Ganz eindeutig ein Klon seiner selbst, denn einer allein konnte gar nicht derart hirnverballert sein.

Nach den Klon-Meldungen dieser Woche hat sich nun auch unsere Bundesforschungsministerin zu Wort gemeldet. Und jetzt sagen sie bloß nicht, Sie wüßten gar nicht, daß wir so eine Ministerin haben. Haben wir! Glaube ich jedenfalls! Wie diese Ministerin heißt, weiß ich allerdings auch nicht. Die Namen von einigen Ministern sowie auch -innen erfährt man ja immer erst dann, wenn sie zurücktreten müssen, weil sie vor Jahren falsch herumgedoktort haben. Jedenfalls hat diese jetzige Bundesforschungsministerin gesagt, daß wir über die Gentechnologie intensiver diskutieren müssen.

Auch auf die Gefahr hin, daß ich mich hier wiederhole (siehe Wochenschauer 66 vom 1. Februar 2001): Ich bezweifle stark, daß eine solche Diskussion noch etwas nutzen würde! Die biotechnologische Invasion in unsere Chromosomen ist doch schon lange im Vormasch. Man ist doch heutzutage in keiner Zelle mehr sicher. Inzwischen hockt in jeder Zelle so ein kleines, graues Männchen, eine Art Genklempner. Der schraubt einem den Zellkern auf, steht dann kopfschüttelnd vor der DNS-Spirale und mault einen an: „Also, von wem haben Sie sich denn das Ding andrehen lassen. Das ist doch ein total veraltetes Modell. Sowas trägt man doch gar nicht mehr. Da ist ja noch nicht mal Intel inside.“

Und dann läßt man sich möglicherweise ein neues DNS-Betriebssystem aufschwatzen mit irgendeinem Super-Multiprozessor und irre viel Speicherkapazität und weiß gar nicht, was man damit anfangen soll. Ich hab irgendwo gelesen, daß der normale Gen-User gerade mal zwanzig Prozent seines genetischen Programms überhaupt benötigt. Den Rest kann man eigentlich wegschmeißen. Der reine Gen-Müll, den wir da mit uns rumschleppen.

Also, ich bin mit meinem genetischen Programm bisher halbwegs zurecht gekommen. Ich zumindest hatte da nicht groß was zu meckern. Aber meine Söhne... Mannomann! Neulich auf einer Familienfeier, eine sehr schöne Beerdigung von meinem Onkel Wilhelm, wo es ja dann manchmal im Familienkreis grundsätzlich wird, wenn es um die Erbschaft geht... jedenfalls - meine Söhne, die wurden da plötzlich sowas von kiebig: Wenn hier schon von Erbschaft die Rede sei, dann müsse auch mal zur Sprache kommen, was für Scheiß-Gene ich ihnen vererbt hätte. Das sei Software aus dem letzten Jahrtausend. Damit könne man sich doch in keinem Cyberspace mehr blicken lassen. Bloß weil der Alte zu geizig gewesen sei, sich regelmäßig updaten zu lassen.

So in dem Stil ging das die ganze Zeit. Aber dann bin ich auch sauer geworden, also sowas von sauer, richtig desoxyribonuklein-sauer. Hab meine Söhne angebrüllt: Bittesehr, dann würde ich sie eben genetisch enterben – und zwar rückwirkend, und dann sollten sie mal sehen, wie sie ohne meine Gene zurechtkommen...

Gut, ich werde auch nicht jünger. Vielleicht vereinsame ich dann im Alter. Aber dann laß ich mir eben von einem amerikanischen Fortpflanzungs-Heini einfach einen Klon machen. So einen Klon könnte ich schon jetzt gebrauchen. Dann müßte ich abends nicht ins Theater, sondern würde vor der Glotze die Beine hochlegen mit einer guten Flasche Wein und könnte meinen Klon auf die Bühne schicken. Würde dem Publikum doch gar nicht auffallen.

Da sehen Sie mal, welche Möglichkeiten uns die Gen-Technik eröffnet. Vor einiger Zeit hat man sogar das menschliche Genom decodiert. Ein Jahrtausend-Ereignis, schrieb damals die „FAZ“. Also meinetwegen hätte das nicht sein müssen. Ich hab doch keine Ahnung, was man mit so einem Genom überhaupt anstellt. Ich kann ja noch nicht einmal meinen Video-Rekorder programmieren. Da schafft man sich dann für teures Geld so ein Genom an, weil das angeblich inzwischen jeder hat, und braucht schon für die deutsche Bedienungsanleitung ein eigenes Entschlüsselungs-System.

Ist doch kein Wunder, wenn gleich wieder eine Error-Meldung auf dem Monitor erscheint: „Sorry! Sie sind ein nicht vorgesehener Fehler im System. Löschen Sie sofort ihre Existenz von der irdischen Festplatte, und versuchen Sie dann einen Neustart.“

Und dann steckt man plötzlich tief in der Scheiße. Im genetischen Kot. Wird neu programmiert und erwacht plötzlich als genmanipulierte Anti-Matsch-Tomate. Oder schlimmer: als Bundesforschungsministerin – und dann weiß man noch nicht einmal, wie man heißt, weil man noch nicht zurückgetreten ist.


+++


PS. 
Ich gastiere am Freitag, 24. Mai, im Stadt-Theater Olten (Schweiz).
Am Sonntag, 26. Mai, in Miller's Studio in Zürich.
Am Donnerstag, 30. Mai, im Forum Peine.
Am Freitag, 31. Mai, im Güterschuppen in Westerstede.

Näheres siehe Tourneeplan