Bekenntnisse

Satire-Letter Nr. 710

Nr. 710 – vom 17. April 2023

I.
Zuweilen ist es nicht gar nicht so einfach, einen Satire-Letter zu verfassen, der sich juristisch noch halbwegs im Rahmen einer meinungsfreiheitlichen Toleranz bewegt. Und ich weiß, wovon ich rede: In meinen etwas jüngeren journalistischen Tagen bei linken Apo-Postillen bin ich allein fünfmal im Anschluss an meine Artikel-Schreiberei juristisch nachbestraft worden und war fortan ein Vorbestrafter: Beleidigung von Franz-Josef Strauß, Verunglimpfung der Justizbehörden, Verächtlichmachung von Staatsorganen und und und... Das ging nebenbei ziemlich heftig ins Geld – in einem Urteil war es eine für meine damaligen (und auch heutigen) Zeiten unvorstellbare 8000-Mark Geldstrafe. (Immerhin hat dann Rudolf Augstein großzügig seine Portokasse geöffnet.) Ach, in diesen späteren 68er-Zeiten gab es in West-Berlin noch eine rührige politische Staatsanwaltschaft, der ich viel verdanke. Sie mehrte meinen Ruhm als deutlich-schreibender Investigator beträchtlich.

II.
Warum diese nostalgische Zurück-Seufzerei in bessere politische Tage? Nun, eigentlich wollte ich mich mal wieder, wenn auch notgedrungen, äußern über den Chef des Springer-Konzerns, Matthias Döpfner. Dessen ober-döpfigen e-mailigen Ausscheidungen sind gerade in der „Zeit“ veröffentlicht worden. Als Chef der "Blöd"-Zeitung und der nachgeordneten Halbblöd-Zeitung "Welt" verkündete er in diesen Mails intern sein redaktions-bestimmendes "Welt"-"Bild".

Nämlich: Alle Ossis seien entweder Kommunisten oder Faschisten. Und natürlich sei daher im Osten alles "eklig". Und die Klimakrise sei ein Segen für die Menschheit. Und der übriggebliebene Rest der Menschheit solle beten für den Sieg von Donald Trump. Und die Bild-Zeitung habe gefälligst für den weltweiten Sieg der FDP zu sorgen.

Bitte sehr, jedem Reichsbürger soll seine Meinungsfreiheit erhalten bleiben. Das gilt auch für einen springerschen Ober-Primaten, der sich der AfD verschrieben hat, also der Agitation fürs Dumpfland. Ich habe in einer früheren Kolumne mal die Forderung erhoben "Entblödet Springer". Dieses Postulat ziehe ich hiermit bedauernd zurück; das Ganze wäre ein zu hoffnungsloses Unterfangen.

III.
Damit komme ich zurück zu meinem juristischen Problem. Da ich nun mal einer lockeren Schreibe fröne, könnte ich versucht sein, diesen gnadenlos exekutierenden Führungsoffizier (CEO, Chief Executive Officer) als einen total durchgeknallten Schwerstbeknackten zu bezeichnen. Doch dieser Versuchung widerstehe ich tapfer, denn Herr Döpfner kann gar kein durchgeknallter Schwerstbeknackter sein, weil er eine sehr umfangreiche Rechts-Abteilung hat, für die eine solche sachliche Beschreibung eine strafbare Verbalinjurie wäre. Eine Schmähkritik – und ich würde jeden Meineid darauf leisten, dass ich gar nicht wüsste, was eine Schmähkritik überhaupt sein soll. Schon deshalb muss ich mich schwer hüten, diesen durchgeknallten Schwerstbeknackten einen durchgeknallten Schwerstbeknackten zu nennen.

IV.
Ich schreibe diesen Satire-Letter tief in der Nacht: Da setzt sich mal ein Marienkäfer, mal eine zierliche Florfliege auf den Bildschirm – und dieses freundliche Nicht-Geziefer verwirrt zauberisch meinen eh schon genug verwirrten Intellekt. Ich genieße es. Der Frühling ist selbst hier in raueren Gegenden nicht ganz zu vermeiden. Und so lasse ich mal wieder ein blaues Band hoffnungsvoll aus meiner Seele hinaus flattern, wie es Eberhard Möricke empfiehlt. Lesen Sie selbst:
 
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab ich vernommen!

"Er ist’s" hat Möricke dieses Gedicht benannt. Tscha, und ich war’s mal wieder. Bis zum nächsten Mal!