Bekenntnisse

Der Gender-Krieg geht gnadenlos weiter

Nr. 715 – vom 21. Juli 2023

I.
Neulich hatte ich mich mal wieder verirrt im Internet auf der Suche nach einer Information; ich weiß nicht mehr nach welcher. Ich lande oft, wenn ich irgend etwas suche, unverhofft bei etwas ganz Anderem, was ich gar nicht gesucht habe und auch nicht finden wollte (beachten Sie bitte den philosophischen Tiefsinn dieses hintergründigen Gedankens).

Jedenfalls fand ich mich bei einer solchen ausufernden Recherche plötzlich bei einem Wikipedia-Eintrag über die päpstliche Konklave wieder. Und fragen Sie mich nicht, wie ich dort hingeraten bin. Nicht nur Gottes Wege sind unergründlich, mehr noch sind es die Pfadfindereien der allmächtigen Algorithmen, die inzwischen die Weltherrschaft angetreten haben.

Jedenfalls erfuhr ich dort wikipedisch, dass man früher, wenn ein Papst verstorben war, ihm mit einem Hämmerchen aus Elfenbein dreimal an die Stirn schlug, um zu erfahren, ob sich dahinter vielleicht noch irgendein heiliger Geist aufhalten würde.

In gewisser Weise erinnerte mich das an meine eigene satirische Arbeitsmethode. Ich benutze die deutsche Sprache gerne als ein Hämmerchen, um damit dezent (wie es nun einmal meine Art ist) bei germanischen Häuptern anzuklopfen: „Hallo, ist noch irgendwer in diesem Haupt zu Hause?“ Meist ertönt dann bei solch schüchternen Anklopfungen nur ein dumpfer Widerhall von Nichtssagenheit aus den Tiefen des bekloppten Hohlraums. Wobei diese Nichtssagenheit leider weit davon entfernt ist, nichts zu sagen. Im Gegenteil: Da sind die hohlen Phrasendrescher im Dauereinsatz.

Diese Phrasen sprachlich zu verdreschen, um ihre Beklopptheit, ihr Abgedroschensein ins Bewusstsein einer für mich erreichbaren Öffentlichkeit zu bringen, ist meine haupt-sächliche professionelle Arbeitsmethode. Wobei das Wort „professionell“ hier nicht ganz zutrifft, denn eigentlich bin ich, was die deutsche Sprache angeht, kein Profi, sondern viel eher und viel lieber ein Amateur, auf deutsch: ein Liebhaber. Was ich mit der Sprache treibe, sind Liebesspiele, zugleich Denk- und Lustspiele auch für andere Menschen, so hoffe ich zumindest.

II.
Nun wurde mir auf meine letzte Kolumne von einigen Menschen sehr freundlich geantwortet. Ein Danke an dieser Stelle. Eine Ausnahme gab’s, weil ich mich in einer Nebenbemerkung ironisch ausgelassen hatte über die heftig tobende Abwehrschlacht in Sachen Genderei. Ein Leser schrieb mir mit vielen dicken Unterstreichungen (aber ohne Unterstriche), dass „eine klei­ne pri­vilegierte Minderheit“ in Zeiten schlimmster Krisen „offenbar nichts Wichti­geres zu tun hat, als mit fanatischem und geradezu religiös-fundamentalistischem Eifer wie im Mittelal­ter gegen ‚Ket­zer und Ungläubi­ge‘ den heroischen Kampf gegen grammatikalische männ­liche Endun­gen zu füh­ren und alle Men­schen ‚zum rechten Glau­ben‘ zu bekehren“.

Ja, und die Erde ist eine Scheibe! Es ist schon interessant, wie da eine Realitätsverschiebung stattfindet. Es sind doch gerade die rechts-orthodoxen Glaubenskrieger (ich spare mir hier die weibliche Form, sie ist in diesem Fall nicht relevant), die dieses Gender-Thema mit hektischem Schaumgesabber vorm dauer-empörten Maul zu einem überdimensionalen Schreckgespenst hochgemonstert haben, um so in voller Absicht von den wirklich relevanten Themen abzulenken, insbesondere von der menschheits-bedrohenden Klimakrise. Eine große Koalition aus CDU/CSU/AfD (mit Assistenz von Sahra Wagenknecht) kämpft da heroisch-verbissen gegen eine Geister-Erscheinung, die man selbst erfunden hat.

Um nur ein Beispiel zu nennen: Da hat man es beim sächsischen Stadttheater in Görlitz doch tatsächlich gewagt, in den Programmheften und Ankündigungen das Binnen-I zu verwenden, was natürlich prompt ein reaktionäres Außen-Ihh, also ein Igittigitt, zur Folge hatte. In der vergangenen Woche verlangte die AfD im Stadtrat, ein generelles Gender-Sprech- und Schreib-Verbot in allen städtischen Einrichtungen, gemeint war natürlich das Theater. Und raten Sie mal, welche Faktion sich dem AfD-Verbotsantrag anschloss (nur einmal dürfen Sie raten, denn die Aufgabe ist zu simpel.) Na klar, die CDU.

In Sachen politischer Cancel-Unkultur, also wenn es um die Mundtodmachung unliebsamer Gedanken geht, sind sich die AfD und CDU absolut einig. Da kennt man keine trennenden Brandmauern mehr, zumal die im Osten ohnehin schon für alle Schwelbrände durchlässig genug waren.

Auch in Bayern haut der krachlederne Markus in seinen öffentlichen Wahlkrampfanfällen immer wieder paukenmäßig auf diesen Prügel-Popanz ein und beklagt, wie brutal die deutsche Sprache entdeutscht werde. („Was das Deutsche angeht, ist er hart wie eine Kruppstählin“, kommentierte eine Freundin gender-giftig.) Doch immerhin will ich immigranten-freundlich anerkennen, dass Söder sich in seinem zänkisch-fränkischen Idiom immerhin Mühe gibt, so etwas Ähnliches wie eine „deutsche Sprache“ zu sprechen.

Wenn es um den allseits lauernden „Gender-Wahn“ geht (und wo lauert der nicht?) warnen einige besonders strenge germanische Sittenwächter (die Namen sind der Redaktion bekannt) vor einer „Vergewaltigung der deutschen Sprache“. Wenn etliche Frauen also auf einer Entmännlichung der Sprache bestehen, wird das maskulin-verunsichert als eine „Vergewaltigung“ angezeigt. Eine derartige weibliche Penetranz müssen wir Männer uns nun wirklich nicht bieten lassen. Schließlich ist Vergewaltigung eine der wenigen maskulinen Domänen, die den wahren Lindemännekins verblieben sind. Irgendwie pervers, wenn diese Feministinnen den Kerlen plötzlich Konkurrenz machen wollen.

III.
Noch einmal zurück zu der vehementen Anklage, dass da ein kultureller Endkampf im Gange sei gegen jene „Ket­zer und Ungläubi­ge“, die sich der brutalen Gender-Diktatur nicht kampflos ergeben wollen.

Eine naive Nachfrage meinerseits: Wer, bitte sehr, wird denn zum Gendern gezwungen? Von einigen wenigen Eifererinnen abgesehen, erlebe ich die Diskussion bei jenen, die den männlichen Formen ein weibliches Anhängsel verpassen wollen, angenehm entspannt. Ich zum Beispiel versuche das Binnen-I, die Sternchen, Doppelpunkte und Unterstriche bei der Benennung des Auch-Weiblichen möglichst zu vermeiden. Sorry, ich bin als Schreiber etwas altmodisch. Ich bleibe lieber bei der vielleicht etwas umständlichen Doppelnennung, zum Beispiel wenn ich Sie anspreche oder anschreibe, liebwerte Leserinnen und geschätzte Leser. Bislang hat mich deshalb noch keine Protest-Mail erreicht. Dafür gibt es ein Wort – Toleranz.